Systemische Organisationsentwicklung


zur Problematik des Stiftungswesens – der Aufhänger: „Die Bertelsmannrepublik“

Das Buch erscheint heute und ist damit so neu, dass es noch nicht einmal bei amazon eine Besprechung gibt.
Thomas Schuler: „Die Bertelsmannrepublik Deutschland – Eine Stiftung macht Politik.“

Das ganze soll sich ja auch verkaufen und deswegen wird (skandalisierend?) darauf hingewiesen, in welchen engen Verflechtungen (wohl) die Bertelsmann-Stiftung Einfluss auf Politik nimmt – in Berlin, Brüssel, wo „es“ ’notwendig‘ scheint.

Ich habe es noch nicht gelesen, glaube aber gerne, dass die Problematik, die sich anhand dieses Beispiels für das Stiftungswesen in D aufzeigt, stimmt:

„Doch dient die Arbeit der Stiftung wirklich dem Allgemeinwohl?
Oder wird das Vertrauen durch verdeckten Lobbyismus und Vetternwirtschaft leichtfertig verspielt?“ (Klappentext bei amazon)

Ein Interview mit dem Autor gab es heute morgen in SWR2 – zum Nachhören.

Und unabhängig davon, ob hier vielleicht zu Recht oder Unrecht verschwörungstheoretisch argumentiert wird – und das Wesen der Verschwörungstheorie ist ja, dass sie nicht widerlegt werden kann – bestätigt sich für mich die Art und Weise, wie Stiftungen funktionieren. Stiftungen als“ Themenadvokaten“ (Ludwig-Glück) funktionieren wohl.


Praxisbeispiel: Wie systemisches Denken nützen kann

In Change Management-Projekten begegnet mir immer wieder, dass Tabus, Denkverbote ausgesprochen werden. In meiner Wahrnehmung werden hier verschiedene Diskussionsebenen vermischt.

Zunächst gibt es die fachinhaltliche Diskussion. Hierfür bin ich in der Regel nicht der Experte. Diese können das in der Regel zu einem sinnvollen Ende diskutieren.

Die zweite Diskussion bewegt sich auf der ‚politischen‘ Ebene. Und in Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege (Alten-, Kranken-, Behindertenhilfe) – mit einer Außen- und einer Binnenperspektive für die Organisation.
Für die Außenperspektive möchte ich anmerken: es wird eine Frage nach dem gesamtgesellschaftlichen, politischen und im Besonderen auch sozialpolitischen Agieren und Taktieren gestellt.
Hier vertrete ich eine pragmatische Position. – Wie kennzeichnet sich meine pragmatische Position? Zunächst einmal mache ich mir klar, wie zum einen „öffentliche Verwaltung“, andererseits „Politik“ ‚denkt’/ ‚tickt‘, welcher inneren Eigenlogik deren Akteure folgen.

Die Eigenlogik einer öffentlichen Verwaltung beschreibe ich gerne wie folgt: Deren höchster Anspruch ist Effizienz (die Dinge auf die richtige Art und Weise tun). Meldet also jemand Bedarf an, wird zunächst geprüft: bin ich zuständig? Trifft dies zu, wird der Bedarf geprüft – und zwar auf Grundlage vorliegender Gesetze und Regelungen (bsp.: Wohngeld). Danach wird der Bescheid erstellt, die Leistung bewilligt. Zu guter letzt erfolgt die schriftliche Dokumentation und Ablage des gesamten Vorganges. – Was ist damit gewährleistet? Einerseits die Rechtssicherheit, andererseits ein ‚gerechter‘ Interessenausgleich, wie er von ‚der Politik‘ (über die verabschiedeten Gesetze etc.) vorgegeben ist.

Wie ‚funktioniert Politik‘? Nun zunächst einmal muss ein Thema als öffentlich relevant eingestuft werden. – Von wem? Von politischen Akteuren (Politikern), denen es immer um Macht zur Durchsetzung von Interessen gehen muss. Oder ganz nüchtern: es geht um Effektivität, also die ‚richtigen Dinge zu tun‘. Dafür brauchen sie Mehrheiten – zumindest in unserem demokratisch legitimierten System. Nur wenn ich klar abgrenzbare, mobilisierungsfähige Positionen und Botschaften abstecken kann, lohnt sich der Einsatz für ein Thema. Der Komplexität der Welt kann man dabei unmöglich gerecht werden. Dann gilt es, Mehrheiten zu mobilisieren, Entscheidungen herbei zu führen, über die ‚Erfolge‘ / erfolgreichen Wirkungen der umgesetzten Entscheidungen Öffentlichkeit herzustellen und schlussendlich sogar persönliches Image/ ‚Profit‘ herzustellen – denn ansonsten ist entweder das Thema tot oder gar die eigene Wiederwahl ungesichert. Und ohne Wiederwahl (als demokratisch legitimierte Form) kann auch (innerhalb von politischen Entscheidungsgremien) kein Thema vorangetrieben werden.

Mein Zwischenfazit: Wenn es notwendig sein sollte, ein Thema so zu verpacken, dass die politischen Akteure dieses Thema (z.B. Recht auf Teilhabe, Ausbildung, Wohngeld u.v.a.m.) als ‚gutes‘ Thema, ‚ihr‘ Thema entdecken und vertreten können, dann ist das zu tun.

‚Heiligt der Zweck die Mittel‘? – Diese Formulierung wäre mir zu krass, aber in bestimmten Fällen gibt es eben keine ‚einfachen‘ Antworten.

 

Für die Binnenperspektive möchte ich Fragen stellen:

  • Wie kennzeichnen Sie Ihre Arbeit und grenzen diese damit vom Arbeiten anderer ab?
  • Was stiftet Identität und Selbstverständnis?
  • Wo ziehen Sie Grenzen?
  • Wie also beschreiben Sie Ihre Kultur? (Im Sinne von: „So machen wir das hier.“)

 

Die Botschaft lautet immer:

  • Bitte erlegen Sie sich und anderen keine (defintorischen, normativ gesetzten, damit tabuisierenden) Denk- und Diskussionsverbote auf.

Die Bitte und Frage:

  • Was muss passieren, was wollen und können Sie wie auch andere (KollegInnen und Leitungsverantwortliche) tun, damit ein ‚offener‘ Diskurs stattfinden kann?